Kommentar |
Ist „Scheitern“ ein Konzept, das beim historischen Lernen von Relevanz ist? Was zunächst abseitig wirkt, gewinnt eine zentrale Bedeutung, wenn man sich vergegenwärtigt, dass genau dort, wo heute in unserer pluralistischen Demokratie ein Lernen aus der Vergangenheit die tiefsten und bedeutsamsten Einsichten generieren soll, in der Regel negative Erfahrungen den Ausgangspunkt bilden. Im formalen Lernen in der Schule betrifft das die Meistererzählung der deutschen, europäischen und Welt-Geschichte: Aus dem Scheitern der Weimarer Republik sollen Lernende lernen, was wie die Bundesrepublik Deutschland aus deren Fehlern gelernt hat. Die Erfahrung des Nationalsozialismus soll mit Blick auf die schlimmstmöglichen Zustände zeigen, welche Bedeutung Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte hat. Auch andere negativ bewertete Zustände – allen voran die der SBZ und DDR – dienen als Antithese zu dem, was als ethisch-normatives Ziel historischen Lernens hochgehalten wird. Im Seminar soll der Frage nachgegangen werden, wie bei schulischen und außerschulischen Bildungsträgern (z.B. bei Gedenkstätten) Lernen aus dem Negativen konzipiert, operationalisiert und reflektiert wird. Auch alternative Wege (z.B. Vorbildlernen) und ihre Rolle als Anker der Positivität im Negativen sollen eruiert werden.
Die Veranstaltung lässt sich gut mit dem themenähnlichen Didaktikseminar oder mit den ebenfalls zum Schwerpunkt „Scheitern“ zählenden Veranstaltungen in der Alten Geschichte (Übung Lupi) und der Frühen Neuzeit (Hauptseminar Thiessen) verbinden. |