Kommentar |
Im dreizehnten Jahrhundert verfassen Guillaume de Lorris und Jean de Meung den „Rosenroman“, der von der Liebe handelt, und zu einem der meist kopierten und gelesenen Romane in Frankreich für fast 300 Jahre wird. In einer verklärten romantischen Sicht auf das Mittelalter könnte man meinen, dass hier Werte wie Edelmut, Ritterlichkeit und Tugend im Mittelpunkt stehen. Doch es wird schnell klar, dass es sich um eine klerikale, patriarchale Sicht auf Frauen handelt, wie sie von Männern imaginiert werden:
„Ein anderes Mal singt er [der Böse Mund] auf der Flöte, niemals eine ehrbare Frau gefunden zu haben ‚Keine gibt es, die nicht lacht, wenn sie von Unzucht reden hört, die ist geil, jene schminkt sich, diese blickt töricht um sich herum, die ist gemein, jene verrückt, und diese redet zu viel.“ (Z. 3901ff. Übers. Karl Ott)
Zur gleichen Zeit schreibt Matheus von Boulogne ein über 6000 Zeilen langes frauenfeindliches Traktat „Lamentationes Matheoli“ und man fragt sich, ob es in dieser Zeit bereits aufgeklärte Gegenstimmen gab.
Zum Glück kann man die Frage bejahen, auch wenn die Anerkennung ihrer Leistungen sehr lange gebraucht hat. Christin de Pizan (1364-1430) setzt sich mit diesen Traktaten und den Zuständen ihrer Zeit auseinander und verfasst als Reaktion hundert Jahre vor Thomas Morus den utopischen Roman „Das Buch von der Stadt der Frauen“.
„Desgleichen, wo gab es jemals einen Mann, durch den der Welt mehr Gutes geschah als durch jene edle Königin Ceres?“ (1. Buch, XXXVIII., de Pizan), schreibt sie und bedient sich historischer, literarischer und mythologischer Frauenfiguren, um eine Stadt zu entwerfen, die sich auf die Werte von Tugend, Vernunft und Rechtschaffenheit stützt. Die vermeintliche Vorherrschaft der Männer wird als Illusion und in ihrer Widersprüchlichkeit von ihr dargestellt.
Im Mittelpunkt des Seminars wird die Auseinandersetzung mit eben jenem Werk stehen. Dazu werden wir auch in Auszügen andere Werke des Mittelalters dieser Zeit lesen, um die Bedeutung von Christin de Pizan für den Feminismus und die Philosophie herauszuarbeiten. |
Literatur |
Primärliteratur
Christine De Pizan – Das Buch von der Stadt der Frauen. Hrsg. und übers. Margarte Zimmermann. Aviva Verlag, Berlin, 2024
Sekundärliteratur (Empfehlung)
- Christine de Pizan - Ich, Christine. Autobiografische Texte. Hrsg. und übers. Margarte Zimmermann. Aviva Verlag, Berlin, 2024
- Guillaume de Lorris und Jean de Meung. Der Rosenroman. Übers. Karl Ott. München 1978. Drei Bände. (online verfügbar) |