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In der Philosophie, geht es, wie in den Wissenschaften allgemein, um die Suche nach Wahrheit. Das ist ohne ergebnisoffene, freie, tabulose Diskussion unmöglich. Die Wissenschaft lebt von dieser Freiheit.
Und die legitimierende Machtbasis der Demokratie ist das Parlament, in dem über die anstehenden Entscheidungen in einer idealiter freien Diskussion befunden werden soll. Dabei gehen Wissenschaft und Demokratie implizit von einer Reihe - m.E. zutreffender – philosophischer Grundeinsichten aus. Es ist wichtig, sich diese Grundeinsichten bewusst zu machen, denn Wissenschaft und Demokratie können nur in einem kulturellen Klima gedeihen, in dem diese lebendig, anerkannt und prägend sind.
Um welche Grundeinsichten handelt es sich?
Erstens, dass es nötig ist, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Sapere aude! Das ist zugleich auch das Schwerste.
Zweitens, dass es keine Instanz außerhalb des Menschen als Gattungswesen gibt, welche ihm sagt, was Wahrheit ist, was Sinn, was gut, was böse.
Drittens, dass wir Menschen folglich aufeinander angewiesen sind in unserer ansonsten hilflosen Suche nach Wahrheit und Moral.
Viertens, dass "Philo-soph" - nach Wahrheit suchender Mensch - zu sein, heißt, "Freund der Weisheit" zu sein, nicht ihr Besitzer. Freund aber bin ich nur solange ich mich bemühe. Fünftens, dass folglich - i.S. dieses Bemühens - Erkenntnis immer offen sein muss für begründete Revision.
Dass das Erkenntnisstreben, sechstens, also den Anspruch auf Geltung ebensowenig aufgeben kann - auch nicht unter den modischen Vorzeichen postmoderner Beliebigkeiten - wie es sich in die vermeintliche Sicherheit religiöser oder sonst ideologischer Dogmen flüchten darf. Der Anspruch auf Geltung soll ja durch eine eventuelle Revision gerade verstärkt werden. Siebtens schließlich, dass das im obigen Verständnis zur conditio humana notwendig gehörende schlichte Stellen einer ernsthaften Frage zugleich, im performativ-pragmatischen Sinn, ein Sich-Stellen auf den Boden einer virtuell universalistischen Minimalethik ist. Mit anderen Worten: dass der Mensch nicht Mensch sein kann, ohne im Medium der Sprache den anderen immer schon anerkannt und sich mit ihm auf ein Geflecht wechselseitiger, gleicher Rechte und Pflichten eingelassen zu haben.
Denken ist auf Sprache (Kommunikation) angewiesen und Kommunikation kommt nicht zustande ohne ethischen Minimalkonsens über, virtuell universalistische, gleiche Rechte und Pflichten. Kommunikationssituationen, in denen alle Beteiligten als Freie und Gleichberechtigte unverstellt miteinander verkehren können, kommen jedoch im realen Leben allenfalls ausnahmsweise vor. Neben mangelndem guten Willen, mangelnder Einsicht und natürlich auch mangelnden Kommunikationswegen ist es u.a. die Ausübung von äußerer, struktureller oder direkter, Herrschaft und die innere Unterwerfung unter ideologische Fixierungen, die die beschriebene Idealsituation als Utopie erscheinen lässt. Das ist sie jedoch n i c h t. Sie ist eine mit jeder ernsthaft gestellten Frage notwendigerweise immer schon gemachte Vorwegnahme. Je geringer die Hindernisse sind, die ihr im Wege stehen - einige habe ich eben genannt - desto leichter wird es uns gelingen, in Kants Begriffen geredet, W a h r h e i t im Dialog zu erarbeiten, das R i c h t i g e zu tun und uns dabei nicht durch leere H o f f n u n g e n narren zu lassen. Philosophie, Wissenschaft und wohlverstandene Demokratie sind der Aufklärung verpflichtet, d.h. dem großen und ewigen Ziel der Überwindung von Ideologie und Herrschaft und damit der Ermöglichung von Mündigkeit. Dieses Ziel ist utopisch. "Aus so krummem Holze, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades gezimmert werden", sagt Kant. Aber es ist nicht moralschwärmerisch!
Die Hoffnung auf eine allmähliche Annäherung an das Ziel und die aus dieser Hoffnung ihre Kraft gewinnenden praktischen Bemühungen sind in Wirklichkeit der harte Kern dessen, was - i.S. der beharrlichen Verfolgung einer "regulativen Idee“ - die Würde des Menschen als vernunftbegabtes und auf Vernunft angewiesenes Wesen ausmacht.
Die hier nur kurz skizzierten Gedanken sind in meinem Buch "Worum geht es in der Philosophie? Grundfragen der Philosophie zwischen Wahrheit und Macht", LIT-Verlag, Münster-Berlin, 2008, weiter ausgeführt. Das Buch wurde auch in anderen Sprachen publiziert: Englisch, Spanisch, Italienisch, Bulgarisch, Japanisch.
Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Anfänger sind willkommen. Einziger Wunsch meinerseits ist, dass die Teilnahme nicht n u r aus formalen Gründen (Scheinerwerb, Punktesammeln usw.) erfolgt, sondern a u c h aus Interesse an der Thematik. Ich erhoffe mir lebendige Diskussionen, nicht zuletzt auch über Bezüge zwischen der beschriebenen philosophischen Position und der gegenwärtigen Weltsituation. Das Anfertigen einer Hausarbeit ist möglich.
Für eventuelle Rückfragen stehe ich gern zur Verfügung: hesse@ph-freiburg.de, telefonisch: 0178-2741294. |