Kommentar |
Die Lehrveranstaltung ist folgenden Studiengängen / Modulen zugeordnet:
BA Ger „Spezialisierung Neuere und neueste deutsche Literatur“; LA Deutsch „Fachwissenschaftliche Aspekte der Schulrahmenpläne“ (LA, Gy; LA, Re), „Spezialisierung Neuere und neueste deutsche Literatur“, „Profilbildung Literaturwissenschaft“ (LA, Gy), „Profilbildung Linguistik und Literaturwissenschaft“ (LA, Re; LA, Sopäd [2019]), „Profilbildung Literaturwissenschaft oder Linguistik“ (LA, Sopäd [2012]); Master Bepäd (Deutsch als ZF) / Master Wipäd (Deutsch als ZF) (2017/2020; 2018/2021) „Spezialisierung Neuere und neueste deutsche Literatur“, „Profilbildung Literaturwissenschaft oder Linguistik“ (2017; 2018), „Profilbildung Literaturwissenschaft“ (2020; 2021); Master Ger (2013), Master Ger, Erstfach (2018/2020) „Literatur und Sprache der Gegenwart“
Modulprüfung wählbar in:
„Fachwissenschaftliche Aspekte der Schulrahmenpläne“ (mdl. Prüfung, 30 Min.), „Literatur und Sprache der Gegenwart“, „Spezialisierung Neuere und neueste deutsche Literatur“ (Hausarbeit [für BA sowie LA (2019) zusätzlich andere Prüfungsform als Option möglich]), „Profilbildung Literaturwissenschaft“, „Profilbildung Linguistik und Literaturwissenschaft“, „Profilbildung Literaturwissenschaft oder Linguistik“ (Studienleistung/Kompetenzprüfung)
Inhaltliches Konzept
In der Folkloristik zählt die Volkssage neben Märchen und Schwank zu den Grundformen der Volksdichtung. Während die Haltung des Märchens optimistisch und die des Schwanks unbeschwert ist, verbreitet die Sage ein Klima von Angst, Schrecken und Pessimismus. Der Mensch wird durch ein unerhörtes Erlebnis oder Ereignis erdrückt, in den Glaubenssagen (belief legends) von der Gewalt des Numinosen. Helden (wie in der Heldendichtung) fehlen. Stil und Struktur sind einfach. Die Brüder Grimm näherten sich der Sage mit überspannten Erwartungen und lasen aus bruchstückhafter Überlieferung, die vielfach der Chronik-, Magica- oder Kuriositätenliteratur entnommen war, germanischen Götterglauben heraus. Wahre Blüten trieb diese weithin vergebliche Lesart in der nachfolgenden „mythologischen Schule“. Sageneditionen des 19. Jahrhunderts wollen einen Beitrag zur „vaterländischen“ Erziehung leisten. In dämonologischen, historischen und ätiologischen Sagen werden vielfach Gebotsübertretungen thematisiert, womit die Volkssage einen Beitrag zur sozialen Normenkontrolle leistete.
Zur narrativen Verarbeitung zeitgenössischer Ängste tragen „moderne Sagen“ bei. Sie thematisieren die Angst vor dem Verlust von Sicherheit, vor der Ansteckung mit unheilbaren Krankheiten, vor Einbrüchen, Unfällen und Anschlägen und die Angst vor dem unerwarteten Tod. In der Erzählforschung diskutierte man lange darüber, ob es sich um eine Fortschreibung der „alten“ Volkssage handelt, was sich in einer Vielzahl von Namensgebungen niederschlägt (contemporary legend, urban legend, nasty legend etc.). Typisch ist die frühe Verbindung jener Sagen mit technischen Medien, zunächst der Zeitung und heute dem Internet. Moderne Sagen nähren sich durch den Zweifel, ob das Ereignis tatsächlich passiert oder erfunden ist.
Literatur:
Brednich, Rolf-Wilhelm (2021): „Literarische Ursprünge und Parallelen moderner Sagen“. In: Petra Himstedt-Vaid, Susanne Hose, Holger Meyer, Siegfried Neumann (Hrsg.) (2021): Von Mund zu Ohr via Archiv in die Welt. Beiträge zum mündlichen, literarischen und medialen Erzählen. Festschrift für Christoph Schmitt (Rostocker Beiträge zur Volkskunde und Kulturgeschichte, Band 9). Münster, New York. 263–280.
Gerndt, Helge (2020): Sagen – Fakt, Fiktion oder Fake?: eine kurze Reise durch zweifelhafte Geschichten vom Mittelalter bis heute. Münster, New York.
Kaneshiro-Hauptmann, Akemi (2009): „Das ist absolut wahr!“ – Wahre Geschichte oder moderne Sage? – Rezeption der modernen Sagen im deutschsprachigen Raum. E-Diss. Göttingen.
Meder, Theo; Himstedt-Vaid, Petra; Meyer, Holger (2023): „The ISEBEL Project. Collecting International Narrative Heritage in a Multilingual Search Engine“. Fabula (2023) 64, 1–2. 107–127.
Petzoldt, Leander (2002): Einführung in die Sagenforschung. 3. Aufl. Konstanz.
Röhrich, Lutz; Uther, Hans-Jörg; Brednich, Rolf Wilhelm: „Sage“. In: Enzyklopädie des Märchens, hrsg. von Rolf Wilhelm Brednich. Bd. 11. Berlin, New York 2004, Sp.1017–1049 (dort weiterführende Literatur).
Schneider, Ingo (1999): „Traditionelle Erzählstoffe und Erzählmotive in Contemporary Legends“. In: Christoph Schmitt (Hrsg.): Homo Narrans. Festschrift für Siegfried Neumann. Münster u.a. 165–179.
Tangherlini, Timothy R.; Roychowdhury, Vwani; Broadwell, Peter M. (2020); “Bridges, Sex Slaves, Tweets and Guns: A Multi-Domain Model of Conspiracy Theory.” In: Trevor Blank, Andrew Peck (eds): Folklore and Social Media. Logan, UT: Utah State University Press. 39–66.
Wójcik, Bartosz (2021) Erzählpalimpseste: Sagen aus Pommern: Fallstudien zu Faktizitäten, Fiktionalitäten in einem Grenzraum. Hamburg.
Der Kurs ist für 20 Teilnehmer:innen ausgelegt. Die (vorläufige) Anmeldung erfolgt über stud.ip; die Auswahl erfolgt über ein digitales Losverfahren. |