Literatur |
- Otto Friedrich Bollnow, Die Lebensphilosophie, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1958
- Michael Großheim, Von Georg Simmel zu Martin Heidegger. Philosophie zwischen Leben und Existenz, Bonn 1991
- Ferdinand Fellmann, Lebensphilosophie. Elemente einer Theorie der Selbsterfahrung, Reinbek bei Hamburg 1993
- Karl Albert, Lebensphilosophie. Von den Anfängen bei Nietzsche bis zu ihrer Kritik bei Lukács, Freiburg/München 1995
- Ralf Elm/Kristian Köchy/Manfred Meyer (Hg.), Hermeneutik des Lebens. Potentiale des Lebensbegriffs, Freiburg/München 1999
- Michael Großheim (Hg.), Perspektiven der Lebensphilosophie, Bonn 1999
- Robert Josef Kozljanic, Lebensphilosophie. Eine Einführung, Stuttgart 2004 |
Lerninhalte |
„Leben ist Oxydation“ erklärt Hofrat Behrens kurz und knapp in Thomas Manns „Zauberberg“. Die Philosophen, die sich im 19. und 20. Jahrhundert ausdrücklich mit dem „Leben“ beschäftigen, sind zu so entschiedenen Stellungnahmen nicht zu bewegen. „Leben“ ist ihnen gerade als relativ diffuser Ausdruck willkommen, um eine Parole des Protestes abzugeben, die eben gegen das reduktionistische Denken der selbstbewußten Naturwissenschaftler vom Schlage eines Hofrat Behrens gerichtet ist.
„Lebensphilosophie“ ist ein spät und von außen herangetragenes Etikett; kein Lebensphilosoph hat sich selbst so genannt, und daher kommt es darauf an zu differenzieren. Wenn man sich gründlich mit Lebensphilosophie beschäftigen möchte, muß man fragen: Welche Funktion hat der Lebensbegriff im Denken eines Philosophen? Welchen Umfang hat der Lebensbegriff? Das ist zugleich die Frage nach seiner Bezugsgröße: ist mit „Leben“ etwas gemeint, das das menschliche Individuum hat? Oder steht an dieser Stelle die Gattung Mensch, die Gesamtheit aller Pflanzen und Tiere, die Erde oder gar das All (Hylozoismus)? Hat das Wesen das Leben oder hat das Leben das Wesen?
Daran schließt sich das Fragen nach dem Verhältnis von Leben und Zeit an: Meint Leben lediglich die zu einem bestimmten Zeitpunkt lebendigen Einzelwesen, also vergängliche, sterbliche Gegenstände oder das Leben überhaupt, d. h. über den Wechsel von Geburt und Tod hinaus unvergängliches Leben zu allen Zeiten und ohne Bindung an eine Gegenwart („Lebensstrom“)? Und last not least: Gehört „Leben“ eigentlich mehr zur Natur oder mehr zur Kultur?
Die Vielzahl der Fragen ist nötig. Die Forschung unterschätzt das Problem der Vieldeutigkeit des Lebensbegriffs bis heute. Zu oft wird davon ausgegangen, daß der Ausdruck „Leben“ selbstverständlich ist und keiner weiteren Erläuterung bedarf. Es ist dann beispielsweise auch möglich, die z. T. erheblichen Differenzen zwischen den Lebensbegriffen verschiedener „Lebensphilosophen“ einfach einzuebnen und so zu tun, als ob ein einheitlicher Komplex vorliege. Hier sind erheblich größere hermeneutische Anstrengungen nötig. Darüber hinaus wird es im Seminar auch um die Kritik an der Lebensphilosophie gehen.
Wir werden uns in diesem Sinne mit folgenden Texten beschäftigen:
- Friedrich Nietzsche, [Textausschnitte]
- Wilhelm Dilthey, Grundlegung der Wissenschaften vom Menschen, der Gesellschaft und der Geschichte. Ausarbeitungen und Entwürfe zum zweiten Band der Einleitung in die Geisteswissenschaften (ca. 1870-1895), hg. v. Helmut Johach und Frithjof Rodi, Göttingen 1982 (= Gesammelte Schriften XIX. Band), S. 330, 341-356
- Wilhelm Dilthey, Grundlegung der Wissenschaften vom Menschen, der Gesellschaft und der Geschichte. Ausarbeitungen und Entwürfe zum zweiten Band der Einleitung in die Geisteswissenschaften (ca. 1870-1895), hg. v. Helmut Johach und Frithjof Rodi, Göttingen 1982 (= Gesammelte Schriften XIX. Band), S. 374-386
+ Textausschnitte
- Henri Bergson, Einführung in die Metaphysik, Jena 1929 (9. Tsd.)
- Henri Bergson, Schöpferische Entwicklung, übers. v. Gertrud Kantorowicz, Jena 1921 (4. – 6. Tsd.), S. 162-170, 180, 200-202
- Georg Simmel, Die Transzendenz des Lebens, in: ders., Lebensanschauung, München/Leipzig 1918, S. 8-27;
wiederveröffentlicht in: Georg Simmel, Gesamtausgabe Band 16, hg. v. Gregor Fitzi u. Otthein Rammstedt, Frankfurt a.M. 1999, S. 209-425, hier 218-235
- Georg Simmel, Die Wendung zur Idee, in: ders., Lebensanschauung, München/Leipzig 1918, S. 28-51, 88-98;
wiederveröffentlicht in: Georg Simmel, Gesamtausgabe Band 16, hg. v. Gregor Fitzi u. Otthein Rammstedt, Frankfurt a.M. 1999, S. 209-425, hier 236-256, 288-296
- Martin Heidegger, Zur Bestimmung der Philosophie. 1. Die Idee der Philosophie und das Weltanschauungsproblem 2. Phänomenologie und transzendentale Wertphilosophie mit einer Nachschrift der Vorlesung „Über das Wesen der Universität und des akademischen Studiums“ (Frühe Freiburger Vorlesungen Kriegsnotsemester 1919 und Sommersemester 1919), hg. v. Bernd Heimbüchel, Frankfurt a.M. 1987 (= Gesamtausgabe Bd. 56/57), S. 63-94
- Martin Heidegger, Grundprobleme der Phänomenologie (1919/20) (Frühe Freiburger Vorlesung Wintersemester 1919/20), hg. v. Hans-Helmuth Gander, Frankfurt a.M. 1993 (= Gesamtausgabe Bd. 58), S. 95-97, 101-120
- Ludwig Klages, Bewußtsein und Leben (1915), in: ders., Philosophische Schriften, Bonn 1974 (= Sämtliche Werke, Bd. 3), S. 646-655
- Heinrich Rickert, Die Philosophie des Lebens, Tübingen 1922 (2. Aufl.), S. 34-54, 61
- Georg Lukács, Die Zerstörung der Vernunft. Der Weg des Irrationalismus von Schelling zu Hitler, Berlin 1955, S. 318-329
Die Texte werden über StudIP zur Verfügung gestellt. Da im Seminar keine Referate gehalten werden, besteht die Erwartung, daß alle die Texte zur jeweiligen Sitzung gelesen haben. |