Kommentar |
Dass der richtige Moment für den Rückzug von Macht und Einfluss oft sehr schwer einzuschätzen ist, zeigt sich auch in der Gegenwart immer wieder. Während in Demokratien der Wechsel der politischen Führungsfiguren – auch nach längeren Amtszeiten – selbstverständlicher Teil des Systems ist oder zumindest sein sollte, sind traditionelle fürstliche Herrschaften anders organisiert. Der Fürst regierte in der Regel, bis er starb oder regierungsunfähig wurde, und sein Regierungs- und Verwaltungspersonal blieb so lange im Amt, wie es in der Gunst des Herrschers stand. Wie aber konnte ein Fürst (und mitunter auch eine Fürstin), der bzw. die die Bürde seiner Stellung nicht mehr tragen wollte, seine Abdankung begründen? Welche legitimatorisch akzeptablen Möglichkeiten bestanden für die führenden Fürstendiener, den Absprung von ihrem Amt zu schaffen, bevor sie gestürzt wurden, und wie konnten sie, wenn der Fürst ihnen dann doch die Gunst entzog, eine neue, gesellschaftlich akzeptable Rolle finden? Welche Vorstellungen von Verantwortung – politischer, gesellschaftlicher, religiöser – gab es? Im Seminar wollen wir uns mit Aussteigern aus dem politischen Geschäft, mit gescheiterten Favoriten, mit Ministern, die von Melancholie ergriffen wurden, mit einflussreichen Frauen, die ihre Macht zu verbergen suchten und mit Fürsten, die angesichts des nahenden Lebensendes (und in Erwartung des Jüngsten Gerichts) neue Prioritäten jenseits der Politik setzten. Wie sie diesen Ausstieg aus der Politik bewerkstelligten (oder auch daran scheiterten), welche Erwartungen an sie gerichtet wurden und welche Alternativen es zu und nach einem Leben als politische Führungsfigur gab, sagt viel über die politische, soziale und religiöse Kultur der Frühen Neuzeit aus und lädt gerade deshalb auch zu Vergleichen mit der Gegenwart und im Rahmen des epochenübergreifenden Moduls zum Thema „Konflikte und Krisen“ ein.
Einschreibezeitraum für Studierende ab dem 2. Semester: 02.08.2021, 12:00 Uhr bis 27.08.2021, 16:00 Uhr Loszeitpunkt: 27.08.2021, 16:10 Uhr |
Literatur |
Jan Hirschbiegel / Werner Paravicini (Hg.): Der Fall des Günstlings. Hofparteien in Europa vom 13. bis zum 17. Jahrhundert. 8. Symposium der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Neuburg an der Donau, 21. bis 24. September 2002. Ostfildern 2004.
Magdalena S. Sánchez: Melancholy and Female Illness. Habsburg Women and Politics at the Court of Philipp III, in: Journal of Women´s History 8 (1996), S. 81–102.
Barbara Stollberg-Rilinger (Hg.): Was heißt Kulturgeschichte des Politischen? (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 35). Berlin 2005.
|